Die Erhöhung des bundesweiten Mindestlohns auf 12€ und des Berliner Landesmindestlohns auf 13€ ist eine bedeutende Errungenschaft für Arbeitnehmer*innen im Jahr 2022. Jetzt gilt es sicherzustellen, dass der erhöhte Mindestlohn auch bei allen ankommt.
Seit der Einführung des allgemeinen Mindestlohns 2015 finden Arbeitgeber*innen diverse Wege, um den Mindestlohn nicht zu bezahlen. Davon sind deutschlandweit bis zu 3 Mio. Arbeitnehmer*innen jährlich betroffen. Überdurchschnittlich häufig betroffen sind Frauen, Minijobber*innen, Beschäftigte unter 24 Jahren, im Rentenalter, mit geringer Schulbildung oder aus dem Ausland sowie Menschen in Ostdeutschland (im Vergleich zu Westdeutschland). Besonders oft kommen Mindestlohnverletzungen dabei im Hotel- und Gaststättengewerbe, Baugewerbe, der Transport- und Logistikbranche sowie der Gebäudereinigungsbranche vor.
Arbeitgeber*innen nutzen verschiedene, meist den betroffenen Arbeitnehmer*innen unbekannte, Strategien zur Umgehung des Mindestlohns, die bislang schwierig zu ahnden sind. Beispielsweise zwingen sie ihre Arbeitnehmer*innen in (unbezahlte) Überstunden, weil der Arbeitsumfang ohne diese nicht machbar wäre oder es wird eine Art Pauschale ausgemacht, in der jedoch die Zeit für An- und Abreisen oder Vorbereitungen nicht inbegriffen ist und demnach nicht bezahlt wird. Bei Minijobs wird der Mindestlohnanspruch in vielen Fällen auch dadurch unterlaufen, dass Beschäftigte für Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage keinen Lohn erhalten – obwohl er ihnen zustünde.
Missbräuche werden aus verschiedenen Gründen nicht geahndet: Häufig wird ein bestehendes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in oder die Unwissenheit der betroffenen Beschäftigten ausgenutzt. In diesen Fällen kommt es meist nicht zu einer Meldung des Verstoßes durch die Arbeitnehmer*innen. Hier fehlt es an hinreichender Aufklärung für Beschäftigte über ihre Rechte sowie zugänglichen Meldestellen für Missbrauchsfälle. Darüber hinaus leidet die für die Kontrolle der Einhaltung zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung unter massivem Personalmangel, sodass die Einhaltung des Mindestlohns nicht ausreichend und flächendeckend überprüft werden kann. Einen weiteren Grund stellt die häufig intransparente und schwierig zu überprüfende Arbeitszeiterfassung in Papierform und/oder handschriftlich dar.
Mit der Erhöhung des Mindestlohns im Jahr 2022 steigt die Missbrauchsgefahr erneut an und die Anreize, den Mindestlohn zu umgehen, nehmen zu. Auch Unternehmen, die sich bislang an Mindestlohnregelung gehalten haben, könnten mit den nun steigenden Lohnkosten Möglichkeiten suchen, Mehrkosten zu vermeiden und damit die Profite zu steigern – gerade jetzt muss also stärker kontrolliert werden.
Daher fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestags sowie der Bundesregierung auf,
- zusätzliche Personalmittel für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung im Haushalt einzustellen und eine entsprechende Werbekampagne zur Besetzung dieser Stellen zu ermöglichen, um eine flächendeckende und zielführende Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns zu gewährleisten.
- eine digitale und manipulationssichere Zeiterfassungslösung durch die Bundesregierung zur Verfügung zu stellen und Arbeitgeber*innen dazu zu verpflichten, diese zu nutzen.
- ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das klar regelt, was zur bezahlten Arbeitszeit gehört (An- und Abreise, Umziehen).
- eine Mindestlohns-Informations-Offensive durch die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu finanzieren.
- die Meldestelle für Verstöße gegen das Mindestlohngesetz weiter auszubauen, sodass Arbeitnehmer*innen dort stärker beraten und in ihrem rechtlichen Vorgehen gegen ihre*n Arbeitgeber*in unterstützt werden.
S. 6. ab Zeile 7 bis S. 7 Zeile 68
als Begründung des Antragstextes nehmen
S. 8 in Zeile 90 einfügen vor Mindestlohns-Informations-Offensive:
mehrsprachige
Änderungsanträge
Status | Kürzel | Seite | Zeile | AntragstellerInnen | Text | |
---|---|---|---|---|---|---|
Angenommen | Ä4/II/2022-1 | 100 | ? |
|
Der Landesparteitag möge beschließen:
Der Bundesparteitag möge beschließen:
Die Erhöhung des bundesweiten Mindestlohns auf 12€ und des Berliner Landesmindestlohns auf 13€ ist eine bedeutende Errungenschaft für Arbeitnehmer*innen im Jahr 2022. Jetzt gilt es sicherzustellen, dass der erhöhte Mindestlohn auch bei allen ankommt.
Daher fordern wir die sozialdemokratischen Mitglieder des Bundestags sowie der Bundesregierung auf,
- zusätzliche Personalmittel für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung im Haushalt einzustellen und eine entsprechende Werbekampagne zur Besetzung dieser Stellen zu ermöglichen, um eine flächendeckende und zielführende Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns zu gewährleisten.
- eine digitale und manipulationssichere Zeiterfassungslösung durch die Bundesregierung zur Verfügung zu stellen und Arbeitgeber*innen dazu zu verpflichten, diese zu nutzen.
- ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das klar regelt, was zur bezahlten Arbeitszeit gehört (An- und Abreise, Umziehen).
- eine mehrsprachige Mindestlohns-Informations-Offensive durch die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu finanzieren.
- die Meldestelle für Verstöße gegen das Mindestlohngesetz weiter auszubauen, sodass Arbeitnehmer*innen dort stärker beraten und in ihrem rechtlichen Vorgehen gegen ihre*n Arbeitgeber*in unterstützt werden.
- Die Sanktionierung von Verstößen gegen das Mindestlohngesetz ist in zweierlei Hinsicht zu verstärken: durch eine Erhöhung der zu verhängenden Bußgelder sowie den Ausschluss von Arbeitgebern, die gegen das Mindestlohngesetz verstoßen, nicht nur von der Vergabe öffentlicher Aufträge, sondern auch von der Vergabe von Fördermitteln der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.
Begründung:
Seit der Einführung des allgemeinen Mindestlohns 2015 finden Arbeitgeber*innen diverse Wege, um den Mindestlohn nicht zu bezahlen. Davon sind deutschlandweit bis zu 3 Mio. Arbeitnehmer*innen jährlich betroffen. Überdurchschnittlich häufig betroffen sind Frauen, Minijobber*innen, Beschäftigte unter 24 Jahren, im Rentenalter, mit geringer Schulbildung oder aus dem Ausland sowie Menschen in Ostdeutschland (im Vergleich zu Westdeutschland). Besonders oft kommen Mindestlohnverletzungen dabei im Hotel- und Gaststättengewerbe, Baugewerbe, der Transport- und Logistikbranche sowie der Gebäudereinigungsbranche vor.
Arbeitgeber*innen nutzen verschiedene, meist den betroffenen Arbeitnehmer*innen unbekannte, Strategien zur Umgehung des Mindestlohns, die bislang schwierig zu ahnden sind. Beispielsweise zwingen sie ihre Arbeitnehmer*innen in (unbezahlte) Überstunden, weil der Arbeitsumfang ohne diese nicht machbar wäre oder es wird eine Art Pauschale ausgemacht, in der jedoch die Zeit für An- und Abreisen oder Vorbereitungen nicht inbegriffen ist und demnach nicht bezahlt wird. Bei Minijobs wird der Mindestlohnanspruch in vielen Fällen auch dadurch unterlaufen, dass Beschäftigte für Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage keinen Lohn erhalten – obwohl er ihnen zustünde.
Missbräuche werden aus verschiedenen Gründen nicht geahndet: Häufig wird ein bestehendes Abhängigkeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in oder die Unwissenheit der betroffenen Beschäftigten ausgenutzt. In diesen Fällen kommt es meist nicht zu einer Meldung des Verstoßes durch die Arbeitnehmer*innen. Hier fehlt es an hinreichender Aufklärung für Beschäftigte über ihre Rechte sowie zugänglichen Meldestellen für Missbrauchsfälle. Darüber hinaus leidet die für die Kontrolle der Einhaltung zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung unter massivem Personalmangel, sodass die Einhaltung des Mindestlohns nicht ausreichend und flächendeckend überprüft werden kann. Einen weiteren Grund stellt die häufig intransparente und schwierig zu überprüfende Arbeitszeiterfassung in Papierform und/oder handschriftlich dar.
Mit der Erhöhung des Mindestlohns im Jahr 2022 steigt die Missbrauchsgefahr erneut an und die Anreize, den Mindestlohn zu umgehen, nehmen zu. Auch Unternehmen, die sich bislang an Mindestlohnregelung gehalten haben, könnten mit den nun steigenden Lohnkosten Möglichkeiten suchen, Mehrkosten zu vermeiden und damit die Profite zu steigern – gerade jetzt muss also stärker kontrolliert werden.
Gestellt als Antrag 24/II/2022 Mindestlohn konsequent umsetzen! auf dem Landesparteitag 12.11.2022
Beschluss und überwiesen an Bundesparteitag 2023, Landesgruppe