17/I/2022 PostDocs jetzt entfristen! – Unsere Anforderungen an § 110 des Berliner Hochschulgesetzes

Status:
Mit Änderungen angenommen

Wir fordern von den sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats, sowie die Mitglieder der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses,

  • dass das Schutzniveau des § 110 BerlHG für PostDocs nicht durch kommende Gesetzesanpassungen gemindert wird: Das wissenschaftliche Personal soll eine verlässliche gesetzliche Grundlage zur Entfristung haben, Übergangsfristen sollen nicht verlängert und eine Aushöhlung des Schutzes durch Ausnahmeregelungen soll verhindert werden.
  • Es ist eine Offensive zur Förderung von FINTA*Personen (Frauen, Inter, Nicht-Binär, Trans, Agender) und BIPoCs (Black, Indigenous, People of Color) in der Forschung zu starten, um ihrer nicht ausreichenden Unterstützung durch derzeit laufende Programme zu begegnen.
  • Die Finanzierung von PostDoc-Stellen, die durch die Umstellung gefährdet sind, ist durch das Land Berlin kurzfristig sicherzustellen, sodass Forschende sich um eine Verlängerung oder eine neue Stelle kümmern können.
  • Damit Berlin als Wissenschaftsstandort attraktiv bleiben kann, ist darüber hinaus eine langfristige Finanzierung entfristeter Stellen anzustreben, die über das Plus von 3,5 Prozent in den Hochschulhaushalten hinausgeht.
  • Die Hochschulen sind bei den durch das BerlHG auf sie zukommenden strukturellen Veränderungen insbesondere auch organisatorisch zu unterstützen.
  • Die Förderung nachhaltiger Personalstrukturen sollte im Vordergrund des zukünftigen Handelns stehen.
Begründung:

Im Allgemeinen sind viele Neuerungen, die die Novelle des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) eingeführt hat, begrüßenswert. Auch wenn einige Missstände an Berliner Hochschulen im Rahmen der Novelle des BerlHG nur wenig adressiert wurden, zeigte sich insbesondere in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen an Hochschulen der Wille, wirklich etwas zu bewegen: Eine allgemeine Entfristung von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen ist erstrebenswert und hilft dabei, die Ungerechtigkeiten im Bereich der Forschung zu minimieren. Bisher war es nämlich so, dass angehende Wissenschaftler*innen von Befristung zu Befristung wanderten, was v.a. für Frauen eher als ein Hindernis gesehen wurde, in die Forschung einzusteigen.

 

Dennoch hat sich seit dem Inkrafttreten des überarbeiteten BerlHG an Berliner Hochschulen nur sehr wenig verändert. Die Lage von PostDocs, also Menschen, die bereits einen Doktortitel inne haben, hat sich seitdem kaum verändert, wenn nicht sogar verschärft.  Ursprünglich war das Ziel des §110 BerlHG die Entfristung von befristeten Stellen von wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen.

 

Die Hochschulen weigern sich bislang in unverhältnismäßiger Weise sich der neuen Gesetzeslage anzupassen. Symbolisch dafür steht die Verfassungsbeschwerde der Humboldt-Universität und der Rücktritt der Präsidentin Sabine Kunst. Wir fordern: § 110 BerlHG muss von den Hochschulen ohne weitere Einschränkungen für PostDocs umgesetzt werden!

Vor allem Frauen leiden weiterhin unter der Ungewissheit, ob ihre Stellen in Forschung und Lehre entfristet werden oder sie weiterhin von Befristung zu Befristung wandern müssen.

 

Zudem geht der Schutz durch das Hochschulgesetz nicht weit genug: Es regelt weder die strukturellen Folgen für Hochschulen, noch klärt es, wie die Finanzierung der derzeit wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten gewährleistet werden kann. Hochschulen sehen sich mit einer Situation konfrontiert, in der sie aufgrund fehlender Unterstützung durch den Senat auf Täuschungen zurückgreifen, um die Neuerungen des BerlHG zu umgehen. Dazu gehört u.a. die Einstellung von PostDocs mit Qualifizierungszielen, die nicht mit einer Entfristung verbunden sind: Obwohl § 110 BerlHG genau die Entfristung auf lange Sicht vorschreibt, verweigern Hochschulleitungen die Umsetzung.

 

Langfristig führt dieses Vorgehen nur dazu, dass Berlin als Wissenschaftsstandort unbeliebter wird. Darüber hinaus sollte beachtet werden, dass die ursprüngliche Änderung auch dazu diente, den Frauenanteil in der Forschung zu erhöhen.

 

Die Koalition hat als Reaktion auf die Kritik der Hochschulen Anpassungen an § 110 BerlHG angekündigt und einen Gesetzesentwurf diesbezüglich bereits vorgelegt. Für uns ist klar: Die Fortschritte für PostDocs, die durch die Novelle erreicht wurden, dürfen nicht zurückgenommen werden! Die Einführung verlängerter Übergangsfristen lehnen wir entschieden ab! Die prekären Beschäftigungssituationen der PostDocs existieren bereits in der Gegenwart, es besteht keinerlei Notwendigkeit für ein Warten bis 2023.

Empfehlung der Antragskommission:
Annahme in der Fassung der Antragskommission (Konsens)
Version der Antragskommission:

Wir fordern von den sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats, sowie die Mitglieder der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses,

  • dass das Schutzniveau des § 110 BerlHG für PostDocs nicht durch kommende Gesetzesanpassungen gemindert wird: Das wissenschaftliche Personal soll eine verlässliche gesetzliche Grundlage zur Entfristung haben, Übergangsfristen sollen nicht verlängert und eine Aushöhlung des Schutzes durch Ausnahmeregelungen soll verhindert werden.
  • Die Finanzierung von PostDoc-Stellen, die durch die Umstellung gefährdet sind, ist durch das Land Berlin kurzfristig sicherzustellen, sodass Forschende sich um eine Verlängerung oder eine neue Stelle kümmern können.
  • Damit Berlin als Wissenschaftsstandort attraktiv bleiben kann, ist darüber hinaus eine langfristige Finanzierung entfristeter Stellen anzustreben, die über das Plus von 3,5 Prozent in den Hochschulhaushalten hinausgeht.
  • Die Hochschulen sind bei den durch das BerlHG auf sie zukommenden strukturellen Veränderungen insbesondere auch organisatorisch zu unterstützen.
  • Die Förderung nachhaltiger Personalstrukturen sollte im Vordergrund des zukünftigen Handelns stehen.
Beschluss: Mit Änderungen angenommen
Text des Beschlusses:

Wir fordern von den sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats, sowie die Mitglieder der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses,

  • dass das Schutzniveau des § 110 BerlHG für PostDocs nicht durch kommende Gesetzesanpassungen gemindert wird: Das wissenschaftliche Personal soll eine verlässliche gesetzliche Grundlage zur Entfristung haben, Übergangsfristen sollen nicht verlängert und eine Aushöhlung des Schutzes durch Ausnahmeregelungen soll verhindert werden.
  • Die Finanzierung von PostDoc-Stellen, die durch die Umstellung gefährdet sind, ist durch das Land Berlin kurzfristig sicherzustellen, sodass Forschende sich um eine Verlängerung oder eine neue Stelle kümmern können.
  • Damit Berlin als Wissenschaftsstandort attraktiv bleiben kann, ist darüber hinaus eine langfristige Finanzierung entfristeter Stellen anzustreben, die über das Plus von 3,5 Prozent in den Hochschulhaushalten hinausgeht.
  • Die Hochschulen sind bei den durch das BerlHG auf sie zukommenden strukturellen Veränderungen insbesondere auch organisatorisch zu unterstützen.
  • Die Förderung nachhaltiger Personalstrukturen sollte im Vordergrund des zukünftigen Handelns stehen.

gestellt als Antrag 65/I/2022 PostDocs jetzt entfristen! – Unsere Anforderungen an § 110 des Berliner Hochschulgesetzes auf dem Landesparteitag 19.06.2022
Beschluss und überwiesen an: AH Fraktion, Senat

Beschluss-PDF: